Wald als Gewebe
Der Vergleich mit einem mitteleuropäischen Wald mit seinen wenigen Baumarten, die auch noch seit Jahrhunderten vom Menschen bewirtschafteten werden, vermittelt keine Vorstellung vom Regenwald in den Bergen Perus. Eigentlich beschreibt das Wort Gewebe am ehesten, wie der Wald hier aussieht. Er ist undurchdringlich. Auf einem einzigen Quadratmeter entdeckt selbst der Laie 10 unterschiedliche Orchideenarten, dazu mehrere Farnarten, Fuchsien und Lianen. Ein Gewirr aus Blättern, Blüten, Ästen, Trieben, Ranken und Wurzeln, an das das Auge sich erst gewöhnen muss. Die kleinste Orchidee wächst auf toten Bäumen und ist gerade einmal drei oder vier Zentimeter groß, die größte steht im sumpfigen Boden am Fluss und misst vom Boden bis zur Blüte drei Meter. Und überall wachsen Bäume, fünf Meter hohe Baumfarne und Palmen, ihre Wurzeln und abgestorbenen, zu Boden gefallenen Äste machen aus jedem Schritt einen Balanceakt.
Internet des Waldes
Versteckt im Boden und in toten Pflanzen sind sie allgegenwärtig: Pilze. Mit ihren mikroskopischen Fäden durchziehen sie den gesamten Wald. In einem Teelöffel Waldboden können sich gleich mehrere Kilometer dieses Pilzgewebes befinden. Viele Bäume haben ein Bündnis mit einer ganz bestimmten Pilzart geschlossen. Der Baum liefert dem Pilz Zuckerlösung, der Pilz gibt dem Baum Nährstoffe und verteidigt ihn gegen Angriffe. Denn es gibt auch Killer unter den Pilzen. Sie suchen nach Schwachstellen im Baum, z.B. ein kleines Loch in der Rinde. Dort dringen sie ein und beginnen sich vom Baum zu ernähren, der dann langsam abstirbt. Alle Bäume des Regenwaldes sind über die Pilzfäden im Boden miteinander verbunden. Über dieses Geflecht tauschen sie Nährstoffe und Informationen aus: Die Pilze sind das JWW – das jungle wide web, ohne das kein Urwald überleben kann.